I. Die soziale Frage im 19. Jahrhundert

„Die soziale Frage ist das Ergebnis der Nichtübereinstimmung von sozialer Idee und vorgefundener Wirklichkeit. Die sich aus dieser Nichtübereinstimmung ergebenden sozialen Spannungen gilt es aus humanitären, ethischen, wirtschaftlichen, politischen, militärischen u. a. Gründen zu beseitigen mit dem Ziele der Herstellung und Sicherung des sozialen Friedens und damit des Bestandes von Volk und Staat.“[25]

Mit der Wahrnehmung einer »sozialen Frage« fällt in Deutschland und andernorts die Geburtsstunde einer kritischen Gesellschaftsanalyse zusammen[26], die nicht nur zu erklären versucht, »was ist«, sondern dem aus der Erklärung heraus gegenüberstellt, »was sein könnte«. Begriffe wie »Kapitalismus«, »Kommunismus«, »Liberalismus« und »Sozialismus« entstanden und sollten mal bezeichnen bzw. »erklären«, was man sah und mal etwas, das man herbeiwünschte. Indes stellen sich die Begriffe meistens schneller ein als die Inhalte bzw. eine Theorie.

Wollten wir die von MÜSSIGGANG abgesteckte »soziale Frage« in ihrer möglichen Tiefe und Breite ausleuchten, dann erginge es uns wie FRANZ OPPENHEIMER, der sich mit der gewählten Fragestellung die Gesellschaft und ihre wissenschaftliche Erkenntnis als solche vorgelegt hat[27]. In gewisser Hinsicht läuft auch diese Arbeit auf die Darstellung eines theoretischen Gesamtrahmens hinaus. Aber zunächst geht es nur darum nachzuvollziehen, worüber ganze Generationen teils mit großer Anstrengung und persönlichen Opfern, teils mit großer Ungeduld und Klage ihre Ansichten entwickelt haben. Ziel des ersten Teils der Arbeit ist, die Wurzeln unseres Denkens über den Kapitalismus und seine möglichen Alternativen aufzuspüren, damit Teile der vorgedacht und übernommenen Anschauung überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden können. Die soziale Frage zu diskutieren heißt, unsere gewordene Realität und ihr Verständnis diskutieren. Uns bewegt bei einem Blick zurück deswegen nicht das Motiv des Chronisten, dem die Geschichtsschreibung ein eigener Wert ist, sondern unser Problem liegt in dem Zugang zu einem gewordenen Verständnis, von dem kein heute noch Lebender eine unmittelbare Anschauung besitzt, durch vermittelte Anschauung aber dennoch meist einen Standpunkt bezieht.

Drei typische Deutungsmuster lassen sich auf diese Weise nachzeichnen, denen wir in abgewandelter Form bis heute begegnen. Da wäre [erstens] die bürgerlichkonservative Position, die die Verschiedenartigkeit der Menschen betont[28]. Klassenunterschiede hat es nach dieser Anschauung immer gegeben, so wie es Unterschiede der Rasse, der Talente, der Begabung, der sittlichen Reife etc. schon immer gegeben hat; ein Denkansatz, der als »Gesetz von der ursprünglichen Akkumulation« tief in die nationalökonomische Theoriebildung eingegangen ist und in der außerwissenschaftlichen Diskussion oft mit Vorstellungen einer »gottgewollten (hierarchischen) Ordnung« einhergeht (? 105, 165).

„Die Besitzenden sogen, wie v. THÜNEN bemerkt, gewissermaßen mit der Muttermilch die Ansicht ein, als sei der Arbeiter von der Natur selbst zum Lastträger bestimmt, als käme ihm für seine Anstrengung nur die Fristung des Daseins zu. Die Unternehmer und Brotherren betrachteten das Ringen und Streben der Arbeiter-und Dienstbotenkreise nach einem besseren Lose als eine ungerechte Anmaßung, die auf jede Weise und aus allen Kräften bekämpft werden müsse. »Niemals aber ist der Mensch entschiedener und beharrlicher im Unrechthandeln, als wenn er durch einen Verstandesirrtum das Unrechte für das Rechte ansieht, und es dann für Pflicht hält, dasselbe mit allen Kräften aufrecht zu erhalten und durchzuführen«.“[29]

Diesem Selbstverständnis entgegengesetzt argumentiert [zweitens] eine politische Bewegung, die LORENZ VON STEIN in Frankreich studiert und erstmals dem deutschen Sprachraum zugänglich gemacht hat[30]. In Deutschland waren es HEGEL und FEUERBACH, die mit ihren Schriften starken Zuspruch bei einer zur Veränderung bereiten Jugend fanden.

„FEUERBACH erhob die Menschheit offen zur Gottheit. Die wahre Religion besteht in dem Kultus der Menschheit. Nicht Gott hat die Menschen, sondern die Menschen haben sich Gott erschaffen. Homo homini deus est. Das höchste Gut ist die Liebe der Menschen zum Menschen. Heilig ist das Wohl jedes Menschen. Das volle Wesen des Menschen kommt aber nicht in der vereinzelten Persönlichkeit, sondern nur in der Gemeinschaft zum Ausdruck. Insoweit bezeichnet sich FEUERBACH als Kommunist. Sein Prinzip heißt Ego und Alter-Ego. Egoismus und Kommunismus sind so unzertrennlich wie Kopf und Herz. »Ohne Egoismus hast Du keinen Kopf, ohne Kommunismus kein Herz«.“[31]

Die Zeit war geprägt durch Gegensätze und Spannungen. Nicht nur die Lebensverhältnisse von arm und reich klafften auseinander, sondern auch deren innergesellschaftliche Wahrnehmung. Daß die Armut der einen durch den Reichtum der anderen verursacht würde, lautete die Anklage vor dem ethischen Gericht der Mitmenschlichkeit und dem Gewissen. Sich freizusprechen oder die Anklage niederzuschmettern, war eine geläufige Bestrebung der so angegriffenen. Und doch ließ sich der Zusammenhang auf Dauer nicht leugnen, selbst wenn das Interesse die Gewinner auf den Standpunkt stellte, daß jeder seines eigenen Schicksals Herr sei und gleiche Freiheit jedem die Wahl ließe. Doch die Freiheit bedarf der objektiven Möglichkeit, um echte Freiheit zu sein, so daß der Diskussion über Menschenrechte und Freiheitsideale eine der ökonomisch-materiellen Voraussetzungen folgen mußte.

„Ökonomische Freiheit kann selbstverständlich ohne Eigentum nicht bestehen, würde [sie] doch alsbald wieder in Schuldknechtschaft zurückschlagen; um frei leben zu können, muß man über die zum Erwerb des Unterhalts notwendigen Mittel verfügen. Diese Verfügungsgewalt scheint dem Arbeiter durch das »Privateigentum« -das Wort drückt die Sache trefflich aus -»vorenthalten« zu sein, und eben die Kombination einer bloß rechtlichen Freiheit mit Eigentumslosigkeit, also mit ökonomischer Unfreiheit, macht den MARXschen Begriff des Proletariers aus und enthält in sich die ganze MARXsche Theorie des Kapitalismus.“[32]

Unter der politisierten Arbeiterschaft reiften »umstürzlerische Tendenzen« heran, durch die sich die etablierten Kräfte bedroht sahen. Ihre Angst vor einer Revolution schlug sich einerseits in einer gesteigerten Reformbereitschaft nieder[33]. Die Idee des Sozialstaates [drittens] verkörpert auf dieser Ebene keinen Wandel der systembestimmenden Eigentums-und Machtverhältnisse, sondern läßt die Herrschenden über die Institutionen des Staates nach neuen Formen und Rollen suchen, in denen oben und unten weiterhin klassenspezifisch vorgegeben sind. Gleichzeitig versuchten andere, die Bewegung der Arbeiter zu brechen, so gut dies ging. Massenentlassungen bei Streiks, die Macht des Gesetzgebers (Sozialistengesetze, Koalitionsverbote, Anklage wegen staatsgefährdender Umtriebe), Attentate gegen führende Persönlichkeiten bis hin zur Kommunistenjagd und Massenliquidierung im folgenden Faschismus stehen beispielhaft für einen verletzten Konsens der Gesellschaft. Und so wie die Toten Opfer eines Kampfes sind, so treffend beschreibt der Begriff »Klassenkampf« die Lage.

„Oben beherrscht »die Wirtschaft«, d. h. der Inbegriff der großen koalierten Kapitale, das »Finanzkapital«, unten die Gewerkschaft zuletzt die Parteien, deren sie sich immer ausschließlicher als ihrer Werkzeuge oder besser: Lakaien, bedienen, denen sie die Ziele und Mittel zum Ziele immer gebieterischer vorschreiben. (...) Die alten Parteien, die noch aus überlebten Ideologien heraus die Angehörigen mehrerer Klassen in sich vereinigen, werden an Zahl und Macht immer schwächer, (...). So leert sich das Feld zwischen den beiden großen Heerkörpern immer mehr, und wieder stehen sich, wie in PLATONs Hellas, die »beiden Völker« innerhalb eines jeden einzelnen Volkes als Todfeinde gegenüber, »die einander nach dem Leben trachten«. Während die Besonnenen ratlos beiseite stehen, in der Unmöglichkeit, sich für eines der beiden tödlichen Übel zu entscheiden, zwischen denen es zu wählen gilt, reißen die Menschen »mit dem schwülen Kopfe und dem kalten Herzen«, vor denen NIETZSCHE warnte, die Führung an sich: die Fanatiker und die Verrückten, die Abenteurer und die Verbrecher, die ihren Weizen blühen sehen. Sie schüren den Streit und die Erbitterung, wütender Haß tobt sich hier wie dort aus; die rohesten und wildesten Mittel werden angeraten und finden ihre Gläubigen und Ausführenden, Mord und Blutrache vernichten die letzten Möglichkeiten der Verständigung. So stehen wir heute unmittelbar vor dem Ausbruch des ungeheuersten Bürgerkrieges, der, wenn er wirklich ausbricht, diesen ganzen Erdteil in Trümmer und Asche legen und Hunderten von Millionen Menschen einen schweren Tod bringen wird.“[34]

Folgt man der Argumentation und Prognose OPPENHEIMERs, dann war der letzte große Krieg deutschen Ursprungs nichts anderes als eine Verlängerung und vorläufig fanatischer Höhepunkt des innergesellschaftlichen Konfliktes, der uns mit der »sozialen Frage« um 1848 erstmals deutlich thematisiert begegnet. Trotz mancher Erkenntnis stünde der Mensch demnach vor seinen eigenen Werken und würde gelten, was LEM in etwas anderem Zusammenhang schrieb:

„Die menschliche Zivilisation ist wie ein Schiff, das ohne Pläne gebaut wurde. Über alle Erwartungen hinaus ist ihr das Bauwerk gelungen. Sie hat gewaltige Antriebsmaschinen geschaffen und das Innere ihres Schiffes eingerichtet, freilich ungleichmäßig, doch das läßt sich noch ändern. Aber dieses Schiff hat keinen Steuermann. Es fehlt der Zivilisation an dem Wissen, mit dessen Hilfe sie unter den vielen Möglichkeiten bewußt ihren Kurs wählen könnte, statt sich von den Strömungen zufälliger Entdeckungen treiben zu lassen. Denn die Entdeckungen, aus denen das Bauwerk erwuchs, sind teilweise noch immer ein Werk des Zufalls.“[35]

Es mangelt an einer theoretischen Erklärung, die Gewordenes und Mögliches dergestalt aufzeigt, daß ein einmal gewordener Mißstand nicht bis in alle Ewigkeit sein Unheil verbreitet, sondern überwindbar wird. Diesen Standpunkt versucht OPPENHEIMER zu erarbeiten, wobei er in wesentlichen Punkten ADAM SMITH (? 68) folgt. Auch OPPENHEIMERs höchstes Ziel ist, dem Individuum eine würdige Existenz in Freiheit und Selbstverantwortung zu ermöglichen, indem die Marktwirtschaft von den Rudimenten nachfeudaler Klassenherrschaft gereinigt und als »reine Ökonomie« fortan bewahrt wird. Sein theoretischer Weg führt über eine genauere Untersuchung der Tauschbeziehungen dazu, die »soziale Frage« unmittelbar mit den Begriffen »freie Konkurrenz« und »Monopol« verknüpft zu sehen.

„Denn die soziale Frage ist nichts anderes als die Frage des Mehrwerts. Die wissenschaftliche soziale Frage lautet: »WAS IST DIE URSACHE DES MEHRWERTS?« Und die praktische Frage lautet: »WIE IST DIE URSACHE DES MEHRWERTS UND DAMIT ER SELBST ZU BESEITIGEN?«“[36]

Es muß hier eingeflochten werden, daß der auf die Tauschbeziehung orientierte Mehrwert-Begriff OPPENHEIMERs nicht mit dem von MARX eingeführten Begriff übereinstimmt![37]

„Wo kein Monopol besteht, da herrscht wirtschaftliche Vernunft und Gerechtigkeit. Denn da tauscht sich Wert haarscharf gegen Wert; da erhält jeder Arbeitende genau den Gegenwert seiner Arbeit, nicht mehr und nicht weniger; da gibt es, mit anderen Worten, keinen Mehrwert auf der einen, und keinen Minderwert auf der anderen Seite. Und zwar wird dies bewirkt durch die arg verschriene »freie Konkurrenz«. Wo freie Konkurrenz besteht, da wenden sich die Arbeitskräfte denjenigen Erwerbszweigen zu, in denen bei hohen Preisen mehr als das durchschnittliche Einkommen erzielt wird, und dann steigt das Angebot, sinken die Preise und das Einkommen. Und umgekehrt wenden sich, wo freie Konkurrenz besteht, die Arbeitskräfte von denjenigen Zweigen ab, in denen bei niederen Preisen weniger als das durchschnittliche Einkommen erzielt wird und dann sinkt das Angebot, steigen die Preise und das Einkommen.“[38]

„Viele Toren und einige Lügner wollen den Völkern einbilden, es gebe gar keinen Mehrwert. Jedermann erhalte auch heute schon genau den Gegenwert seiner Arbeit. Wir wollen uns mit ihnen nicht aufhalten. Unzweifelhaft gibt es ganze Klassen, die viel mehr als den Gegenwert ihrer Arbeit erhalten, und unzweifelhaft erhält die ungeheure Mehrheit aller Schaffenden viel weniger als den Gegenwert ihrer Arbeit. (...) Was zwingt die Arbeiter, den Mehrwert-Tribut abzutreten? In früheren Zeitaltern zwang sie das Gesetz dazu. Sie waren im Altertum Sklaven, im Mittelalter Hörige. Und Sklave wie Höriger waren kraft Rechtens, gesetzlich, gezwungen, ihrem Herren einen Teil dessen abzugeben, was sie an Werten schufen. Diese Gesetze existieren nicht mehr. Unsere Arbeiter sind freie Bürger. Wenn ihnen aber keine gesetzliche Einrichtung den Tribut abzwingt, so kann es nur eine wirtschaftliche, so kann es nur ein Monopol sein. Und zwar muß es eine besondere Art von Monopol sein, nämlich ein gesellschaftliches Klassen-Monopol, d. h. eine auf dem Ausschluß der freien Konkurrenz beruhende, sehr breit und tief begründete wirtschaftliche Vormachtstellung, die zwischen der Oberklasse als Gesamtheit auf der einen Seite und der Arbeiterklasse als Gesamtheit auf der anderen Seite ein gesellschaftliches Klassen-Monopol-Verhältnis konstituiert.“[39]

Auch diesem Grundgedanke werden wir hier weiter folgen. In seiner Ausgestaltung durch OPPENHEIMER wächst er heran zu einem theoretischen System mit praktischem Wert für die Wirtschafts-und Sozialpolitik. Doch bis dahin ist noch ein weiter, wenn auch vorgeebneter Weg. Er beginnt mit einer Beschreibung der sozialen Frage, bei der wir sogleich nach relevanten Klassenmonopolen und Wettbewerbsbeschränkungen suchen wollen. Ein Zitat von HETTLAGE, das sich ebensogut als Einleitung in dem Hauptkapitel »Genossenschaftswesen« hätte anbringen lassen, soll die Vorausschau abschließen und glaubhaft machen, daß die breite Anlage des Vorgehens auf einen gemeinsamen Punkt zielt. Er schreibt unter der Überschrift „Die »soziale Frage«“:

„Die moderne Kooperativbewegung ist überwiegend ein Produkt einer sozialen Krise: Im Zuge der langsamen Auflösung der Feudalordnung und der beginnenden Industrialisierung setzte sich auch eine liberale Gewerbeordnung durch. Die ständischen Bindungen an Boden und »Herrschaft« wurden aufgelöst, das Gemeindeland aufgeteilt und eingezäunt und die Besitzlosen damit vom Land vertrieben. Umgekehrt waren außerhäusliche Arbeitsstätten, Fabriken und Industriesiedlungen entstanden, die die nunmehr mobil gewordenen Arbeitskräfte absorbierten und die Urbanisierung beschleunigten. Das Zusammenwirken von Push-und Pullfaktoren hatte somit eine weitgehend rechtlose, »industrielle Reservearmee« (MARX) von Lohnarbeitern hervorgebracht, die sich aus abgesunkenen Handwerkern, Krämern, Kleinbauern und Tagelöhnern zusammensetzte. Angesichts des Überangebots an Menschen, der Rechtlosigkeit des städtischen Proletariates (Manchester-Liberalismus), der ungebremsten Konkurrenz, der aufflackernden Wirtschaftskrisen und der Unerfahrenheit der Arbeiter mußten sich die Menschen zu Löhnen verdingen, die kaum ausreichten, um sie vor dem Verhungern zu bewahren (Pauperismus). In dieser unbestreitbaren Krisensituation entstanden die modernen Genossenschaften. Sie waren Versuche, auf dem Wege der Selbsthilfe und in relativ bescheidenem Wirkungskreis die Unterprivilegierten der industriellen Revolution zu fördern bzw. auf der Angebotsseite (in Landwirtschaft und Gewerbe) die Mitgliederunternehmen zu erhalten und zu stärken, indem einzelne wirtschaftliche Funktionen gemeinschaftlich übernommen wurden. (...) Es verwundert nicht, daß das 19. Jahrhundert auch die Zeit großer theoretischer und praktischer Bemühungen der Genossenschaftspioniere ist. Von zum Teil unterschiedlichen Denkansätzen herkommend wollten OWEN, LASSALLE, FOURIER, BLANC, HUBER, RAIFFEISEN und SCHULZE-DELITZSCH eine gerechtere und menschlichere Gesellschaftsordnung errichten. Mögen sie zum Teil auch an den harten Realitäten gescheitert sein (...), dahinter standen nur bedingt gesellschaftspolitische Träumereien, sondern zunächst der Impuls, empörende Lebensverhältnisse der Unterprivilegierten zu verbessern.“[40]

Fußnoten
[25]
ALBERT MÜSSIGGANG: Die soziale Frage in der historischen Schule der deutschen Nationalökonomie. Tübinger wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen, Bd. 2, Tübingen 1968, S. 4.
[26]
Vgl. CARSTEN QUESEL: Soziologie und Soziale Frage. Lorenz von Stein und die Entstehung der Gesellschaftswissenschaft in Deutschland. Wiesbaden 1989.
[27]
Vgl. FRANZ OPPENHEIMER: Großgrundeigentum und soziale Frage. Versuch einer neuen Grundlegung der Gesellschaftswissenschaft. Berlin 1898. Fortan zitiert als „FRANZ OPPENHEIMER: Großgrundeigentum“.
[28]
Vgl. GUSTAV SCHMOLLER: Die soziale Frage. Klassenbildung, Arbeiterfrage, Klassenkampf. München 1918.
[29]
HEINRICH HERKNER: Die Arbeiterfrage. Bd. 1: Arbeiterfrage und Socialreform, 8. Aufl., Berlin 1922, S. 18. Quelle nach HERKNER: JOHANN HEINRICH VON THÜNEN: Der isolierte Staat. Bd. 2, Berlin 1875, S. 48 f. In der von mir verwendeten Auflage auf S. 445 bzw. Bd. 2, S. 46.
[30]
LORENZ VON STEIN: Der Socialismus und Communismus des heutigen Frankreichs. Leipzig 1842.
[31]
HEINRICH HERKNER: Die Arbeiterfrage. Bd. 2: Soziale Theorien und Parteien, 8. Aufl., Berlin 1922, S. 262.
[32]
EDUARD HEIMANN: Soziale Theorie des Kapitalismus. Theorie der Sozialpolitik. Original 1929, Frankfurt a. M. 1980, S. 30.
[33]
Vgl. CARL JANTKE: Zur Deutung des Pauperismus. In: Carl Jantke, Dietrich Hilger, Die Eigentumslosen, Freiburg 1965, S. 7 -47, hier 41.
[34]
FRANZ OPPENHEIMER: System der Soziologie, Bd. II, Der Staat, original 1925, 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1964, S. 674 f. Fortan zitiert als „FRANZ OPPENHEIMER: System II, Der Staat“.
[35]
Die Analogie entnehme ich STANISLAW LEM: Summa technologiae, Frankfurt a. M. 1981, S. 395.
[36]
FRANZ OPPENHEIMER: Soziale Frage, S. 10.
[37]
MARX belegt den Begriff mit der Vorstellung, Mehrwert sei jener Teil der Werte, der über die zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendigen Arbeitszeit hinausreicht und unentgolten bleibt. Damit schließt er sich einer den Kapitalisten eigenen Ideologie an, die den Arbeiter als Lasttier versteht und lediglich ein Auskommen in Höhe der Reproduktionskosten zugesteht. Nicht daß MARX dem Arbeiter keinen höheren Lohn gegönnt hätte, aber er nimmt als Datum hin, was der Kapitalist stets anstreben wird. Indem er das Produkt der Arbeit in einen entgoltenen und einen unentgoltenen Teil aufspaltet, entfernt er sich von der Vorstellung, daß das gesamte Arbeitsprodukt in jeder geleisteten Stunde aufgrund seiner Stellung zum Kapital im Tausch nur einen Minderwert erzielt, der Mehrwertanteil pro Arbeitsstunde also um so höher ausfällt, je höher der Angebotsdruck der Arbeit gegenüber dem Kapital ist. Es eröffnet sich MARX durch seine Vorgehensweise ein Klassengegensatz in harter Frontstellung, der sich nur durch gesellschaftsverändernde, revolutionär-umstrukturierende Eingriffe bewältigen läßt, während eine preisbestimmende Verknüpfung mit dem glücklich gewählten Begriff der »Reservearmee« dazu hätte führen können, den Angebotsdruck der Arbeit gegenüber dem Kapital (und damit den Kapitalismus) bereits dann aufgehoben zu sehen, wenn die Reservearmee verschwunden ist.
[38]
FRANZ OPPENHEIMER: Soziale Frage, S. 4.
[39]
FRANZ OPPENHEIMER: Soziale Frage, S. 11.
[40]
ROBERT HETTLAGE: Die Stellung der Genossenschaften in der Wirtschaft. In: Juhani Laurinkari, Genossenschaftswesen, Hand-und Lehrbuch, München 1990, S. 302 -323, hier S. 305.